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PRESSESTIMMEN „A NON MAN SHOW – An Evening with Andy Warhol“

01 BERLINER ZEITUNG, NOV 2014
Der Meister der Serie
Ein Andy-Warhol-Abend von United Puppets an der Schaubude

VON CHRISTIAN RAKOW

Wir leben im Zeitalter des seriellen Fabrikats, wir lieben wiederkehrende Superhelden und „Die Sopranos“, wir posten auf Facebook täglich Katzenbilder, wir kleiden uns in Kollektionen etablierter Marken, wir fahren wieder und wieder VW, nur schneller und sparsamer. Wer, wenn nicht Andy Warhol, der diese Serienlogik als erster konsequent erfasste, sollte der Künstler dieser Zeit sein? Er habe am Anfang seiner Karriere 13 Dollar für das Abmalen eines roten Damenschuhs erhalten, sagt Andy Warhol an diesem Abend in der Schaubude. Für fünf solcher Schuhe gäbe es das Fünffache. „Also habe ich versucht, möglichst viele Schuhe auf einem Bild unterzubringen.“

Für eine heitere und melancholische Geschichtsschreibung der Pop-Ära waren bis dato vor allem Gob Squad an der Volksbühne zuständig. Jetzt fügt der Andy-Warhol- Puppenabend für Erwachsene an der Schaubude, „A No Man Show“ von United Puppets (die jüngst an der Parkaue ein famoses „Rotkäppchen“ mit Glühbirnen-Figuren realisierten), eine eigene Note hinzu.

Eine feingliedrige Warhol-Puppe mit sanfter Blässe und silberweißem Haar hat das Team um Regisseur Mario Hohmann und die Spielerinnen Friederike Krahl und Melanie Sowa geschaffen, eine Puppe als Roboter, der mit verzerrter, aber zarter Automatenstimme spricht: „In meinerWelt gibt esAund B. / Ich bin A. / B sind alle anderen.“

Das gut sechzigminütige Stück lässt den schüchternen Warhol widerwillig Interviews bestehen („Können Sie mir die Antwort nicht sagen, und ich wiederhole sie dann?“) und schickt ihn in ebenso launige wie anrührende Gespräche mit Micky Maus und der Sängerin Nico. Starke Songs beschwören die Atmosphäre des aufstrebenden Pop und der „Factory“-Zeit. Es sprießen die (stets ungewollt wirkenden) Bonmots des Meisters.Wie im Zeitraffer erlebt man die Künstlerbiographie dieses No Mans, der wie ein Kopist durch seine Zeit reist, nicht egomanisch und sinnsuchend, sondern eigentümlich leer und offen für bunte Stimuli. Seine Aura der Weltabgewandtheit bei aller Produktivität und Popularität hat aus dem Godfather der Serie denn doch ein Unikat gemacht.

Nur Warhols Rechnung, dass fünffache Abbildung zum fünffachen Preis führt, ist im Ganzen wohl nicht aufgegangen. Wie berichtet, veräußerte kürzlich eine Aachener Spielbank in London zwei Warhol- Bilder für 151 Millionen Dollar: einen Tripple-Elvis und einen Vierfach- Marlon-Brando. Einst wurden sie für 185000 Dollar erstanden. Das ist die Wahrheit des Künstleroriginals.

Wo Geschichten ein Bild umranken, da wächst auch der Wert. Was der Künstler AndyWarhol an eigener Story mitbringt, und wie er unsere Zeit verkörpert, kann man in diesem Erzählabend von United Puppets, der an der Schaubude und im Hamburger Bahnhof läuft, wunderbar erleben.

 

02 TAGESSPIEGEL, JAN 2015
Der erste Plastikmensch
Andy Warhols Welt als Puppenshow

VON CHRISTIANE MEIXNER

Was Andy Warhol überhaupt mit einem Roboter nach seinem Ebenbild wollte?
Für Isabelle Dufresne, die in seiner Factory als überschminkte Ultra Violet herumsprang, war Warhol nämlich selbst "der erste Plastikmensch, der gelebt hat". Weil er so roboterhaft gleichgültig wirkte, dass jeder seine Wünsche, Sehnsüchte oder - wie Valerie Solanas - all ihre Wahnvorstellungen auf Andy Superstar projizieren konnte.
Er selbst verschwand dabei unter seinem blonden Kunsthaar und hinter dicken Brillengläsern.

"A No Man Show" heißt denn auch das fabelhafte Stück der Berliner Puppenspieler "United Puppets", das nach seiner Premiere nun im Hamburger Bahnhof und anschließend in der Schaubude Berlin spielt.
Der Pop- Artist, als Puppe gerade mal einen Meter groß, wird wie eine Maschine bewegt und stets vom verzerrten Surren eines Akkuschraubers begleitet. Sobald der Kopf hochfährt, wartet man auf einen der nächsten großartig diffusen Sätze, die Regisseur Mario Hohmann in Warhols Tagebüchern und Interviews aufgestöbert hat.

Begleitend stehen Melanie Sowa und Friederike Krahl auf der Bühne, die effektvoll in immer neue Rollen schlüpfen und sein Leben zu biografischen Schlüsselmomenten kondensieren – bis hin zum denkwürdigem Auftritt Solanas’, die Andy 1968 ein Loch in den Bauch schoss. Einer der wenigen Momente, in denen der Künstler seinen Text vergisst und einmal nicht die monotone Standardformel murmelt. Ansonsten aber ist alles "toll, wirklich fabelhaft". Selbst die Tatsache, dass Warhol viel Geld verlor, als er tatsächlich einen Roboter in Auftrag gab. Für ein Stück am Broadway, in dem er sich von dem mechanischen Doppelgänger vertreten lassen wollte.

Doch der andere Andy erwies sich als unzuverlässig. Konträr zum 1987 verstorbenen Künstler, der im Stück sogar mit Mickey Mouse um den Titel als berühmteste Comicfigur rangelt. Und dabei ein absolut selbstbezügliches Image in den New Yorker Himmel zeichnet, das von der unermüdlichen Arbeit am Ich erzählt. So wirkte Warhol schon vor Jahrzehnten an der Schnittstelle von Kunst, Massenmedien, Konsum und Selbstinszenierung, die heute noch immer nicht ihren Zenit erreicht hat.



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